Navigation und Service

Neuartiger Gewebekleber für die Human- und Zahnmedizin : Datum:

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der TU Berlin haben einen biokompatiblen Klebstoff entwickelt, der bei Knochenbrüchen und Verletzungen eingesetzt werden kann.

Der neue Klebstoff ist proteinbasiert und umweltverträglich. © Adobestock/Thitiphat

Fast jeder Zweite leidet im Laufe des Lebens unter einer Zahnbettentzündung, der sogenannten Parodontitis. Die Parodontose beginnt mit einer bakteriellen Entzündung des Zahnfleischs. Bleibt diese längere Zeit unbehandelt, greift die Entzündung auf das umliegende Gewebe über. Das Zahnfleisch löst sich vom Zahn und es bilden sich immer tiefere Zahnfleisch-Taschen, in denen sich die Bakterien weiter ausbreiten können. Mit der Zeit kann sich sogar der Knochen im Zahnbett abbauen. Bei einer nicht behandelten Parodontose droht der Zahnverlust. Je nach Schwere der Parodontitis wird eine geschlossene oder offene Kürettage (Ausschabung) der Zahnhälse vorgenommen. Dabei wird das Zahnfleisch an der betreffenden Stelle ein wenig abgelöst, die freiliegenden Bereiche gereinigt und bei Bedarf wird erkranktes Gewebe schonend entfernt. In den gereinigten Spalt soll zukünftig ein Gewebekleber gegeben werden, um einerseits das Zahnfleisch wieder am Zahnhals zu befestigen und andererseits durch seine antibakteriellen Eigenschaften eine Neubesiedelung der Zahnhalsoberfläche zu verhindern.

Im Vorhaben Dental-Fix untersuchen der Ideengeber Dipl.-Ingenieur Christian Schipp zusammen mit Professor Peter Neubauer (Technische Universität Berlin), ob ein biosynthetischer Gewebekleber, entwickelt auf Basis eines Muschelproteins, in der Human- und Zahnmedizin eingesetzt werden kann.

Gewebekleber sind ein wichtiges Hilfsmittel bei der Wundversorgung sowie bei chirurgischen Eingriffen. Das Anwendungsspektrum reicht von der äußeren Anwendung auf der Haut für den Wundverschluss über die ergänzende Versorgung von Nähten und Klammern bis hin zur nahtfreien Stabilisierung von Implantaten. Es besteht ein dringender Bedarf an neuen Gewebeklebern, die vor allem schonend und verträglich mit dem menschlichen Organismus sind. In der Zahnmedizin werden aktuell vorrangig synthetische Klebstoffe für Zähne eingesetzt, die allerdings nicht genügend Halt bieten.

Herr Schipp, was versteht man unter Gewebekleber? Und wo genau kommen sie in der Oral- und Kieferchirurgie im Einsatz?

Unter Gewebekleber versteht man einen Klebstoff, der menschliches Gewebe z.B. Zahnfleisch miteinander oder an andere Materialien festklebt. In der Oral- und Kieferchirurgie kommen sie bisher nur in sehr geringen Umfang, zum Beispiel in Form von Fibrinklebern zum Stabilisieren von Operationswunden am Zahnfleisch zum Einsatz. Wir entwickeln einen Gewebekleber, der auf Proteinen basiert, die natürlich in Muscheln vorkommen und die wir nun biotechnologisch produzieren, um sie im medizinischen Bereich einsetzen zu können.

Welche Therapien und Behandlungsoptionen gibt es bisher bei einer Parodontitis und was bedeutet das für den Patienten?

Bei der Standardtherapie einer Parodontitis wird vor allem versucht ihr Voranschreiten zu stoppen und einen Zahnverlust zu verhindern. Dazu werden die Zahnhälse in wiederkehrenden Intervallen abgeschabt und Therapeutika in die Zahntasche eingebracht. Das Abschaben der Zahnhälse stellt eine für den Patienten unangenehme Therapiemethode dar, was dazu führt, dass sie von vielen Patienten nicht in Anspruch genommen wird.

Wie wollen Sie mit Ihrem Produkt die Behandlung der Patienten verbessern?

Wir wollen ein Produkt entwickeln, welches in Form eines Gels auf die zuvor abgeschabten Zahnhälse aufgetragen wird. Das Gel besteht aus dem gelösten Muschelprotein und weiteren antibakteriellen Zusätzen. Durch Aktivierung mit UV-A-Licht härtet das Gel aus und übt seine antibakteriellen Eigenschaften über einen längeren Zeitraum aus, sodass auf eine wiederholte Behandlung verzichtet werden kann, oder zumindest der Abstand zwischen den Behandlungsintervallen wesentlich vergrößert werden kann. Dabei wird auch die Zahntasche verkleinert indem das Zahnfleisch wieder am Zahnhals befestigt wird.

Was sind die nächsten Schritte in der Entwicklung des Gewebeklebers?

In dem abgeschlossenen Vorläuferprojekt XenoGlue konnten wir die Produktion des Kleberproteins aus der Muschel erheblich steigern. Diesen Produktionsprozess möchten wir jetzt so weit optimieren, dass wir ihn an die Pharmaindustrie auslagern können. Dazu muss er nach bestimmten Vorschriften standardisiert werden. Weiter wollen wir das Kleberprotein auf seine Eigenschaften, wie zum Beispiel die immunologische Verträglichkeit hin untersuchen.